In einer Zeit, die immer mehr von digitaler Kunst geprägt ist, erlebt eine der ältesten Maltechniken der Welt eine bemerkenswerte Renaissance: die Ei-Tempera-Malerei.
Wie du selbst Ei-Tempera Farben herstellen kannst und was du dafür benötigst, lernst du im folgenden Beitrag.
Was ist Ei-Tempera?
Ei-Tempera ist eine Maltechnik, bei der Farbpigmente mit Eigelb als Bindemittel vermischt werden. Das Ergebnis ist eine außergewöhnlich leuchtende, matte Farbe, die nach dem Trocknen eine beeindruckende Haltbarkeit und Farbtiefe entwickelt. Meisterwerke wie Sandro Botticellis „Geburt der Venus“ (1485–1486) und der Großteil der Werke der frühen Renaissance Meister zeugen noch heute von der Brillanz dieser Technik.

Das benötigst du…
…für den Malgrund:
- Stabiler Holzkörper (Holztafel oder Leinwand auf Holzrahmen)
- Hasenleim
- (Pulverisierte) Kreide
- Feines Schleifpapier
- Breite Pinsel
…für die Farben:
- Trockene Farbpigmente
- Frische Eier (nur das Eigelb)
- Destilliertes Wasser
- Essigessenz
- Glasplatte zum Verreiben
- Glasläufer
- Kleine Gläser mit Deckeln
- Feine Pinsel
Schritt 1: Den Malgrund vorbereiten
Bearbeitung der Holzoberfläche
Beginne mit einem stabilen Holzkörper – eine glatte Holztafel oder eine auf Holzrahmen gespannte Leinwand eignen sich ideal.
Schleife die Oberfläche zunächst gründlich ab, bis sie vollkommen glatt und eben ist. Entferne alle Staubpartikel mit einem weichen Tuch.
Die Gesso-Grundierung herstellen
Mische warmen Hasenleim mit pulverisierter Kreide im Verhältnis 1:1. Rühre die Mischung gründlich um, bis eine homogene, cremige Masse entsteht. Die Konsistenz sollte streichfähig, aber nicht zu dünn sein.
(Dieser Schritt kann auch erspart bleiben, indem du die Gesso-Grundierung fertig im Kunstwarenhandel oder Online kaufst.)
Das Auftragen der Grundierung
Hier beginnt die Kunst der Geduld: Trage die Gesso-Grundierung in vier bis sechs dünnen Schichten auf.
Tipp: Wechsle bei jeder Schicht die Pinselstrichrichtung, um eine ebene und stabile Oberfläche zu schaffen.
Lasse jede Schicht vollständig trocknen, bevor du die nächste aufträgst. Schleife zwischen den Schichten die Oberfläche vorsichtig mit sehr feinem Schleifpapier glatt. Das Endergebnis sollte eine seidig-matte, gleichmäßig saugfähige Oberfläche sein, an der die Farbe gut haften kann.
Schritt 2: Die Farbpigmente vorbereiten
Das Mischen der Pigmente
Gib eine kleine Menge trockenes Farbpigment auf eine saubere Glasplatte. Füge tropfenweise destilliertes Wasser hinzu – wirklich nur sehr wenig! Verreibe nun mit dem Glasläufer die Paste in kreisförmigen Bewegungen.
Tipp: Nimm dir Zeit für diesen Schritt. Das Pigment muss vollständig benetzt werden um eine glatte, klumpenfreie Paste zu bilden. Wenn die Masse cremig und geschmeidig ist, hast du die richtige Konsistenz erreicht.
Die Aufbewahrung der Pigmente
Fülle die verriebene Pigmentpaste in kleine Gläser und bedecke sie mit destilliertem Wasser. Das Pigment setzt sich schnell am Boden ab, bleibt aber wochenlang verarbeitbar und trocknet nicht aus. Beschrifte die Gläser, damit du die Farben später zuordnen kannst.
Schritt 3: Das Bindemittel zubereiten
Das Eigelb trennen
Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt: Trenne das Eigelb vorsichtig vom Eiweiß. Am besten gelingt das, indem du das Ei aufschlägst und das Eigelb zwischen den Eierschalenhälften hin und her gleiten lässt, bis das Eiweiß vollständig getrennt ist.
Die Membran entfernen
Das Eigelb ist von einer dünnen, durchsichtigen Membran umgeben, die unbedingt entfernt werden muss. Nimm das Eigelb vorsichtig zwischen Daumen und Zeigefinger und stich es an – das reine Eigelb läuft heraus, die Membran bleibt an deinen Fingern zurück.
Die Emulsion herstellen
Vermische das reine Eigelb mit ein paar Tropfen destilliertem Wasser und einem Tropfen Essigessenz. Die Essigessenz ist entscheidend – sie konserviert die Emulsion und macht sie länger haltbar. Rühre vorsichtig um, bis eine gleichmäßige Mischung entsteht.
Schritt 4: Die Farbe mischen und malen
Das große Finale
Entnimm etwas von dem abgesetzten Pigment aus deinem Glas und mische es mit dem frischen Eigelb-Gemisch. Das ideale Mischverhältnis liegt bei 1:1, kann aber je nach gewünschter Konsistenz angepasst werden. Mehr Pigment ergibt deckendere Farben, mehr Bindemittel sorgt für transparente Töne.
Die ersten Pinselstriche
Jetzt kommt der magische Moment: Deine selbstgemachte Ei-Tempera-Farbe ist bereit! Die Farbe trocknet sehr schnell, daher solltest du zügig arbeiten. Mische immer nur so viel Farbe an, wie du in den nächsten 20-30 Minuten verbrauchen kannst.
Nach dem Trocknen ist die Ei-Tempera Farbe hoch lichtecht und behält ihre Leuchtkraft über viele Jahre.
Die Herstellung eigener Ei-Tempera-Farben ist aufwendig, aber ungemein lohnend. Jeder Schritt des Prozesses verbindet dich mit jahrhundertealter Handwerkstradition und führt zu Ergebnissen von außergewöhnlicher Qualität. Die Mühe wird belohnt durch Farben, die in ihrer Leuchtkraft und Haltbarkeit ihresgleichen suchen.
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